Lachs Mit Gemüsereis

Wie in einem Comic hängen die Worte des Streichholzhändlers in der Luft und verfolgen die vorbeigehenden Passanten. Die Schrift links des Händlers scheint gerade aus dessen Mund zu strömen und dem blauen Anzugbein zu gelten. Die Worte auf der rechten Seite galten dem Paar, sind aber schon fast verflogen. Die Signatur des Künstlers plus Jahreszeit ist wie ein Graffiti-Tag auf den Bordstein gekritzelt. Der Streichholzhändler I als Beispiel der Neuen Sachlichkeit Das Sujet des Werks von Otto Dix ist recht schnell identifiziert: Hier handelt es sich um einen der vielen Kriegsverletzten, die aufgrund schwieriger medizinischer und sozialer Versorgung nun ihr Dasein auf den Straßen der Großstädte als fliegende Händler oder Bettler fristen mussten. Die wohlhabenden, wohlgenährten Bürger eilen scheinbar mitleidlos vorbei, ohne von der Gestalt Notiz zu nehmen. Eine solche Szene wäre auch dem Expressionismus und Naturalismus sympathisch gewesen. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Stilen, Epochen oder Bewegungen will die Neue Sachlichkeit aber weder Mitleid mit dem Kriegskrüppel erwecken (Naturalismus), noch sich mit ihm solidarisieren (früher Expressionismus).

Einzelansicht - Staatsgalerie

Hier würde sich eine tiefergehende Beobachtung sicher lohnen. Vergleichsobjekte Dix, Otto: Der Streichholzhändler, 1926, Städtische Kunsthalle Mannheim, rights_work_vgbk, Mischtechnik, Holz, Malerei, 120 x 65 cm Klabund: Der Krüppel. In: Gedichte des Expressionismus. Arbeitstexte für den Unterricht. Reclam Stuttgart 2007, S. 55 Glossar Graffiti-Tag: Der legale oder illegale Name und das Monogramm eines Graffiti-Writers resp. Sprayers Literaturverzeichnis Presler Gerd: Glanz und Elend der 20er Jahre. Die Malerei der Neuen Sachlichkeit. Köln. Zwischen Traum und Reportage. Künstler der Neuen Sachlichkeit. Malerei. Zeichnung und Druckgrafik. Hg von Erik Stephan für die Städtischen Museen Jena. Jena, 2014. Ausstellungskatalog Abbildungsverzeichnis Otto Dix: Der Streichholzhändler I, 1920, Stuttgart, Staatsgalerie, rights_work_vgbk, Öl auf Leinwand, Collage, 2248x1880 Bildnachweis: R. Beck: Die kosmischen Bilder, Dresden 2003, S. 47 Abb. 33 Quelldatenbank: IKARE, Martin-Luther-Universität Halle, Institut für Kunstgeschichte und Archäologie Europas, Martin-Luther-Universität Halle, Zentralbibliothek Otto Dix: Der Streichholzhändler, 1926, Städtische Kunsthalle Mannheim, rights_work_vgbk, Mischtechnik, Holz, Malerei, 120 x 65 cm Bildnachweis: AK: Neue Sachlichkeit.

Streichholzhändler Ii | Kunsthalle Entwicklung

Das neusachliche Sehen in den Straßenszenen Otto Dix' während der Zwischenkriegsjahre am Beispiel von "Streichholzhändler I" von 1920. Mit der Neuen Sachlichkeit entwickelte sich zu Beginn der Zwanziger Jahre in Deutschland eine neue Kunstrichtung, die vor allem in Kunst und Literatur auf eine naturalistische Ästhetik setzte und damit eine innovative Art des Sehens verdeutlicht. Die Neue Sachlichkeit seziert in Bild wie Text die Realität gleichsam unter dem Brennglas und porträtiert sie in schonungsloser Nüchternheit. Statt einer pathetischen Subjektivität, wie sie etwa dem vorangegangenen Früh-Expressionismus (1906-1914) noch zum Maß erhob, wurde nun die Ratlosigkeit einer Nachkriegsgeneration verarbeitet, die sich mit den Verhältnissen der Weimarer Republik auseinandersetzen musste, wo Vergnügungssucht und Glanz mit sozialem Elend durch Inflation und Massenarbeitslosigkeit konfrontiert wurde. Otto Dix gilt als ein früher und wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit, sein Werk "Streichholzhändler I" soll als beispielhaft für das "neue Sehen" verstanden werden.

Könnte Dix sein, ist aber von Beckmann. Zur künstlerischen Initialzündung und Werkwende wird für beide der Erste Weltkrieg. Alles, was an ihrer Malerei zuvor noch akademisch gewesen sein mag, wird in den Schützengräben hinweggesprengt von dieser existenziellen Erschütterung. Bei Dix manifestiert sie sich im Radier­zyklus "Krieg" und den an der Front auf Packpapier gemalten, radikal die Formen zerbrechenden Gouachen, Beckmann fertigt eine Folge von düsteren, wie zerrissen wirkenden Tuschezeichnungen über Tod, Trauer und Verstümmelung an. Was Hans Magnus Enzensberger bei seiner Tübinger Poetikvorlesung gerade über die Literatur als Historiografie ausgeführt hat – dass sie, anders als die Wissenschaft, den Leser mitten in den "Strudel der Ereignisse" hineinziehe – gilt gleicher­maßen für die bildende Kunst und ihren Betrachter. Eindringlicher als diese Blätter schildert wohl keines der vielen Geschichtsbücher zum hundertsten Jahrestag des Kriegsausbruchs das ­damalige Inferno. Unerwartete Aktualität erhält die Ausstellung durch zwei abwesende Bilder: Der drastische "Schützengraben" von Dix und das Gemälde "Gesellschaft III", das Beckmann als zusammengesunkene, vom Kriegserleben sichtlich gezeichnete Figur im Kreis einer befreundeten Familie zeigt, hängen nur als schwarz-weiße Reproduktionen in der Kunsthalle.