Eine Neuinterpretation hat Torsten Fischer hier nicht geliefert, sein Vertrauen in den Text macht den Abend jedoch zu einem vergnüglichen Unterfangen. (S E R V I C E - "Der Gott des Gemetzels" von Yasmina Reza im Theater in der Josefstadt. Regie: Torsten Fischer. Bühne und Kostüme: Vasilis Triantafillopoulos und Herbert Schäfer, mit Judith Rosmair, Marcus Bluhm, Susa Meyer und Michael Dangl. Weitere Termine: 4., 12., 13., 28. und 29. Mai sowie 15. Theater in der Josefstadt: Regie, Ausstattung Detail. bis 17., 26. und 27. Juni. Karten unter Tel. (01) 42700-300 sowie unter) Kommentieren
In diesem Setting empfängt die Familie Houillé, deren elfjährigem Sohn von seinem Kontrahenten zwei Zähne ausgeschlagen wurden, das Ehepaar Reille. Nach kurzem oberflächlichem Abtasten geht es dann darum, den kindlichen Zwist auf rationaler Ebene auszubügeln. Dass das gehörig schief geht und schließlich die Brüche in den Persönlichkeiten der Erwachsenen verhandelt werden, machte dieses 2006 uraufgeführte und 2011 von Roman Polanski mit u. a. Christoph Waltz und Kate Winslet verfilmte Kammerspiel zum Kassenschlager. Roh und nackt Während Dieter Giesing das Stück vor zehn Jahren im Burgtheater in einer schrägen, weißen Gummizelle ziemlich glatt inszeniert hat, kommt Fischers Version nun roh und nackt daher: Kein Schnickschnack, der Text ist Gerüst und Verkleidung in einem. Da liegt es an den Schauspielern, die emotionale Entwicklung von beiläufiger Freundlichkeit über spitzen Sarkasmus bishin zum finalen Showdown zu stemmen. Der Gott des Gemetzels - Besetzung. Und das tun Michael Dangl, Susa Meyer, Marcus Bluhm und Judith Rosmair mit viel Liebe zum Detail.
Die positiven Figuren Franz und Franziska Jägerstätter stehen im Zentrum der Handlung. Der "positive Held" ist typisches Charakteristikum des Volksstücks des 20. Jahrhunderts (vgl. Hein 1993, S. 470). Der "kleine Mann", der Bauer Jägerstätter ist in seinem Umfeld letztlich der einzige, der sich der allgegenwärtigen Macht eines benennbaren und doch so anonymen Systems konsequent widersetzt. Warum anonym? Der Nationalsozialismus und das Verhältnis vieler Figuren zu diesem System werden sehr ambivalent dargestellt. Vielfach versucht man, Jägerstätter vor den Konsequenzen seiner Entscheidung zu "bewahren", man sucht "Schlupflöcher" im System, um das Leben eines "Querdenkers" zu retten, der nach den Regeln der geltenden Ordnung aufgrund seiner Einstellung zum Tode verurteilt werden muss. Theater in der Josefstadt. Es handelt sich also um "realistisches Theater" im besten Sinne, das dem Anspruch gerecht werden kann, "Erkenntnisse über die Wirklichkeit des menschlichen Miteinanders darzustellen" – in seinen Widersprüchen und Schwierigkeiten (Ostermeier 2009, S. 2).
Yasmina Rezas Erfolgsstück, das es in der Verfilmung durch Roman Polanski bis nach Hollywood geschafft hat, lässt Regisseur Torsten Fischer nicht allzu viel Gestaltungsraum. Dem Stück ist irgendwie immanent, dass es einen, wenn man es einmal gesehen hat, nicht mehr überraschen kann. Umso mehr Bedeutung haben die Schauspieler, die den Abend sehenswert machen. Judith Rosmair spielt Veronique mit einer dosiert überschäumenden Hysterie, Marcus Bluhm ihren Mann Michel lakonisch und mit subtiler Brutalität. Michael Dangl ist ein glatter Jurist, dessen Primitivität sich ab und zu Bahn bricht, etwa wenn er Krückenträger verhöhnt. Der gott des gemetzels josefstadt tv. Hinreißend ist aber vor allem Susa Meyer als Annette, deren eruptive Unzufriedenheit nicht nur die armen Tulpen in Bewegung bringt.