E. Handlungsempfehlungen Sollte der Betriebsrat seine Mitbestimmung einfordern, werden sich Unternehmen nun Gedanken machen müssen, wie die aufgeworfenen Themen im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates sinnvollen Lösungen zugeführt werden können. Denkbare Gestaltungen wären eine Betriebsvereinbarung, die den Betrieb der Facebookseite (bzw. anderer von der Argumentation ebenfalls betroffener Social Media Präsenzen) regeln und einer interessengerechten Regelung zuführen. Sollte es dem Betriebsrat nur um die Kommentarfunktion gehen, so könnte in einer Betriebsvereinbarung oder außerhalb einer solchen vereinbart werden, dass Kommentare Dritter, die Mitarbeiter nennen, unverzüglich gelöscht werden. Die Nutzer, die sich beschwere, werden unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Gründe auf übliche Beschwerdekanäle (E-Mail, Telefon) verwiesen. Dies ist eine Praxis, die wir Mandanten ohnehin empfehlen und die derzeit wohl ohnehin schon von vielen Unternehmen "gelebt" wird. Sollte tatsächlich eine weitergehende Betriebsvereinbarung ausgehandelt werden, so ist dringend zu empfehlen, dass auf Seiten des Betriebsrates, wie auch des verhandelnden Unternehmensvertreters ein hinreichende Kenntnis der Funktionen und Werkzeuge bzw. der gestalterischen und technischen Möglichkeiten bei Facebook (bzw. anderen Sozialen Netzwerke) vorhanden ist.
Wirtschaftsblatt: Gibt es Branchen, in denen es besonders heikel ist? Hellbert: Zwei Kategorien sind zu unterscheiden, nämlich jene Branchen, die aufgrund ihrer Tätigkeit als besonders "heikel" gelten, wie der Bankensektor oder Sicherheitsfirmenwer möchte schon gerne Fotos seiner eigenen Wohnung auf Facebook wiederfinden, die ein Mitarbeiter einer solchen Firma hineingestellt hat, um seine Freundin zu beindrucken? - und jene Branchen, in denen allgemeine Werbebeschränkungen gelten (Gesundheitsbereich, Pharma-Bereich). Letztere sind aber durch die Liberalisierung der Werbevorschriften im Wandel begriffen: zB hat der Deutsche Bundesgerichtshof die Internet-Plattform "2te-zahnarztmeinung. de" als zulässig erachtet, worüber Patienten die fünf günstigsten Angeboten von Zahnärzten erhielten. Der BGH argumentierte, dass die Internet-Plattform nichts anderes sei als eine technische Erleichterung, um mehrere Preis-und Behandlungsangebote einzuholen. Seit diesem richtungsweisenden Urteil wagen immer mehr dt Ärzte den Schritt in Richtung Social Media, um Patienten zu gewinnen.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, schon vor 40 Jahren dass es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitgeber tatsächlich vorhat, das Verhalten oder die Leistung des Mitarbeiters zu überwachen – und das obwohl im Regierungsentwurf der Regelung ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass nur solche technischen Einrichtungen mitbestimmungspflichtig seien, "die den Zweck haben, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen" ( BT-Drucks., VI/1786 S. 48 /49). Das focht das BAG aber nicht an: es sei kein Unterschied, ob seine (Anm. Keppler: also die des Arbeitnehmers) Überwachung das erklärte Ziel der technischen Einrichtung oder nur ein Nebeneffekt sei. Es sei auch irrelevant, ob die Daten ausgewertet werden oder werden sollen – Überwachung begänne nicht erst mit der Auswertung (BAG aaO). Dennoch darf man sich wundern, da die Kommentarfunktion bei Facebook – trotz mancher, technisch kaum zu verhindernder Kunden- und Nutzerkommentare über Mitarbeiter, typischerweise nicht dafür gedacht ist, Verhalten und Leistungen der Mitarbeiter zu überwachen.
06. 2018 Format: Datei Größe: 5 MB